Tina mit SchülerInnen

KARIBU! – Tina in Tansania

Die Reise geht weiter

„Karibu“ ist das Wort, das man in Tansania täglich mit Abstand am meisten hört. Es heißt „Willkommen“ auf Suaheli. Und das sagt viel über die Herzlichkeit der Menschen aus. 

Nach Eswatini ging es für Tina weiter nach Tansania, wo sie einen Monat lang unsere Kolleginnen und Kollegen vor Ort bei ihrer täglichen Arbeit begleitet hat. Wir haben bei ihr nachgefragt, was sie dort alles erlebt hat.

Tina, wie geht es dir? Du bist ja nun von Eswatini nach Tansania weitergereist.

Genau, das war landschaftlich gesehen ein ziemlicher Tapetenwechsel: Aus dem von Dürre geplagtem, trockenen und kargen Eswatini ging es in das saftige grüne Tansania. Hier ist noch dazu gerade Regenzeit. Mir geht es super! Auch hier wurde ich mehr als herzlich empfangen! Mit hier meine ich übrigens Rukoma, unser Projektgebiet für unser neues Entwicklungsprogramm, das wir in den nächsten Wochen starten. 

Grüne Umgebung
Straße mit Buben auf Rad

Wo liegt Rukoma?

Rukoma liegt in der Region Kagera im Nordwesten von Tansania beim Viktoria-See und in der Nähe von Ruanda und Uganda. 

Wie ist Rukoma erreichbar, wie sieht die Infrastruktur aus?

Rukoma ist ziemlich weit ab vom Schuss und sehr schwer zu erreichen – ein gutes Beispiel dafür, dass wir in den abgelegensten Gebieten arbeiten, um die Ärmsten der Armen mit unseren Maßnahmen zu erreichen. 
 

Straße in Rukoma
Claudia

Den Weg ins Projektgebiet würde ich als sehr wild bezeichnen. Es schüttelt einen ordentlich durch. Es gibt eine „Hauptstraße“, die sich durch die Region zieht, die allerdings in sehr schlechtem Zustand ist. Zu dem Rest würde ich eher Trampelwege sagen. Viele der Familien sind außerdem nur mittels Fußweg durch den Dschungel zu erreichen. Die Entfernungen sind groß und die meisten Familien haben kaum Zugang zu wichtiger Infrastruktur wie Gesundheitsstationen, Schulen, Märkte usw. Kinder gehen oft kilometerlange Strecken zur Schule und der Weg zur nächsten Klinik ist so aufwendig, dass man erst gar nicht geht.

 

„Später möchte ich einmal Ärztin werden, weil ich mitbekommen habe, dass wir hier im Dorf zu wenige Ärzte haben. Die Menschen werden krank und wissen nicht, wo sie Hilfe bekommen“, erzählt mir Claudia, ein 13-jähriges Mädchen aus dem Dorf Rubale. 

Demnach kann man sich schon denken, dass auch Strom vor Ort eher ein Luxusgut ist. Nur die Hälfte von Rukoma ist überhaupt an das Stromnetz angeschlossen, leisten können es sich die wenigsten. Sobald die Sonne untergeht, ist man auf Kerzen angewiesen und es wird sehr früh zu Bett gegangen. 

Öffentliche Verkehrsmittel wie bei uns zulande gibt es nicht – aber es gibt Alternativen: Minibusse sogenannte Dala Dalas, die die Straßen abfahren und Leute von der Straßenseite aufklauben. Demnach gibt es auch keine wirklichen Stationen. Man gibt einfach Bescheid, wann man wieder rausspringen möchte. Die Preise hierfür sind erschwinglich – dafür kann es eng werden: Denn offiziell gibt es rund 14 Sitzplätze, inoffiziell manchmal bis zu 30. 2 bis 2,5 Stunden Fahrt kosten umgerechnet in etwa 1,80 Euro. Die Busse fahren allerdings nicht bis zu den abgelegenen Dörfern und kommen für die Menschen in unserem Projektgebiet nur bedingt in Frage. Ein anderes häufiges Fortbewegungsmittel sind Boda Bodas aka Motorradtaxis.  

Dorfansicht
Dorfansicht2
Dala Dala

Wie ist das Leben dort?

Das Leben hier ist sehr einfach. Die Familien sind sehr arm und wohnen in kleinen – in traditioneller Bauweise gebauten Häusern – aus Lehmwänden und Wellblech- oder Strohdächern. Vereinzelt sieht man auch Häuser aus Ziegelsteinen. Ich habe mehrere Familien zu Hause besucht und was ich dort gesehen habe, hat mich ziemlich schockiert. Die Wände sind brüchig, es gibt zahlreiche Löcher im Dach. Bei Regen – und es ist gerade Regenzeit – regnet es hinein. Der Boden ist nur Erde mit Stroh bedeckt. Alles wird gatschig und es ist kalt. 
 

Susanna und Tina
Familie
Frau beim Wasserholen
Kinder lachen

Können Kinder in Rukoma zur Schule gehen?

Ja, die Kinder gehen in die Schule, allerdings lässt die Qualität der Ausbildung, die die Kinder erhalten, sehr zu wünschen übrig. Alle Schulen, die ich besucht habe, haben die gleichen Probleme:  Die Klassenräume sind dunkel und überfüllt. Es ist laut und chaotisch. Über 100 Schüler in einem einzigen Klassenzimmer sind keine Seltenheit. Teilweise teilen sich 5-8 Kinder ein einziges Buch. Es gibt nicht genügend Räume. Der Unterricht findet in Schichten oder draußen im Freien statt – in der prallen tansanischen Sonne! Frida Rwechungura, die Schuldirektorin der Nyakaju Primary School hat es richtig formuliert: „Wie soll man unter diesen Umständen etwas lernen?“

Das ist so schade. Die Kinder, mit denen ich gesprochen habe, sind alle so lernfreudig. Es wird Zeit, dass sich die Situation ändert! 
 

Kinder in überfülltem Klassenraum
Schulklasse
Schuldirektorin Frida

Wovon leben die Menschen in Rukoma und wie sieht die Ernährungssituation aus? 

Die Menschen hier sind Selbstversorger und leben vom Eigenanbau von Grundnahrungsmittel wie Kochbananen, Bananen und Kassava. Unter- und Mangelernährung sind ein großes Problem. Auf der einen Seite fehlen den Menschen die nötigen Mittel, um abwechslungsreichere Nahrung zu kaufen, auf der anderen, auch das Wissen über nährstoffreiche Ernährung. Wenn ich Kinder nach ihrem Lieblingsessen frage, kommt Kochbanane oder Reis (ohne etwas dazu) als Antwort. Sie kennen einfach nichts anderes. Die meisten Menschen essen in der Früh nichts, zum Mittag trinken sie „thin porridge“ – Maismehl mit Wasser aufgekocht – und am Abend gibt es Kochbananen und Kassava – ab und zu Bohnen. Es gibt wenig zu essen und das was es gibt, ist sehr einseitig und nährstoffarm.
 

Mangelernährung trifft viele Kinder
Thin Porridge
Beim Kochen

Was sind die größten Herausforderungen und wie wird World Vision aktiv? 

Wenn ich die Menschen frage, was sie sich für die Zukunft wünschen, sind alle Antworten gleich: genug zu essen, ein besseres, stabileres Zuhause für die Familie und, dass ihre Kinder zu Schule gehen und eine Ausbildung bekommen können. Auch die Antworten der Kinder waren eindeutig: Essen. Das ist eine Antwort, die sitzt und eine Realität, die für uns so unvorstellbar ist. Und genau das spiegelt die größten Herausforderungen wider.  Nahrungsmittelsicherheit und gesunde Ernährung, Bildung und ein eigenes Einkommen, das für die Deckung der Grundbedürfnisse wie Essen, Kleidung, Medizin und ein Dach über den Kopf – das auch wirklich ein Dach ist und kein Regenwasser durchlässt – verwendet werden kann.

Unsere Arbeit zielt genau auf die Bedürfnisse und Nöte der Menschen ab und geht auf die größten Herausforderungen ein. Um auf die schlechte Situation und mangelnde Performance in Schulen einzugehen, sind wir gerade dabei, Reading Camps in den Dörfern zu implementieren. Dabei bekommen Freiwillige aus dem Dorf vorab ein Training von uns, um dann in weitere Folge die Kinder dabei unterstützen zu können, ihre Lese- und Schreibfertigkeiten zu verbessern. Sie lernen das Alphabet, die richtige Aussprache und auch das Verständnis von Wörtern und Texten. Im Bereich Ernährung arbeiten wir eng mit Müttern zusammen und schulen sie, wie sie mit lokalen Lebensmitteln nährstoffreichere Speisen für ihre Kinder zubereiten können. Um die Menschen dabei zu unterstützen, ein eigenes Einkommen zu erwirtschaften, gründen wir Spargruppen, in denen die Mitglieder neben dem verantwortlichen Umgang mit Geld ebenso wichtige Grundlagen im Bereich Sparen und Investieren lernen.

Reading Camp
Teller mit Essen
Tina mit Familie

Wo siehst du die Unterschiede zu Projektgebieten in Eswatini, wo World Vision schon seit einigen Jahren mit der Bevölkerung arbeitet?

Der Kontext hier ist noch ein anderer bzw. die Herausforderungen der Menschen. Hier gilt es erst einmal die Familien dabei zu unterstützen, die absoluten Grundbedürfnisse decken zu können – Hunger und Unterernährung zu bekämpfen und bei der Einkommensschaffung zu helfen. In späterer Folge kann auf weitere Probleme reagiert werden und die Maßnahmen werde ausgeweitet auf beispielsweise Hygiene und Infrastruktur. 

Wie geht es nun für dich weiter?

Für mich geht es jetzt weiter nach Mosambik in unsere Projektgebiete Kazuzo und Nihessiue. Hier unterstützen wir die Menschen bereits seit einigen Jahren und ich freue mich schon, einige unserer Maßnahmen miterleben zu können und zu sehen, wie sich das Leben der Menschen verändert hat.  
 

Tina mit ihrem Patenkind

 

 

Tina Götz

war von September bis Dezember 2019 für World Vision Österreich zur Projektdokumentation im südlichen Afrika unterwegs.
 

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