Tina mit Kindern in Eswatini

Mein Monat in Eswatini

Tina zu Besuch in unseren Projekten in Afrika

Es ist staubig, trocken und chaotisch. Die Kinder rennen gerade aus der Schule und spielen ganz aufgeregt. Mittendrin entdecken wir eine junge Frau mit blonden Haaren, die ganz sicher nicht von hier ist. Es ist Tina, unsere Kollegin aus Österreich, die seit Ende September für drei Monate unsere Projekte in Afrika besucht.

Ihre erste Station führt sie nach Eswatini (früher Swasiland), wo sie ganz in der Nähe der Projekte Lubulini und Ekukhanyeni wohnt. Von dort aus startet sie ihre Reise und besucht viele Projekte, die mit der Hilfe von World Vision implementiert wurden. Dazu gehört zum Beispiel Literacy Boost – ein Projekt, dass Tina in einigen Schulen genauer kennenlernt. World Vision arbeitet damit seit 2018 und unterstützt insgesamt 14 Schulen durch Bereitstellung von Lernmaterialien, Trainings und Workshops der Lehrer und vielem mehr.

„Derzeit reifen gerade die roten Rüben!“ Seit 2017 werden auf den Feldern rund um die Communities Ndzavane und Ntuthwakazi Mais, Spinat, Zwiebeln, Karotten, Tomaten und im Oktober rote Rüben angebaut. Die Kleinbauern profitieren von unserem EU-geförderten Projekt, durch das wir ihnen Trainings, Saatgut, Bewässerungssysteme und die Schaffung eines Marktzugangs ermöglichen konnten. Mittlerweile haben die Bauern ihre Fertigkeiten ausgebaut und zwischen den Feldern erfolgreich Papaya-Bäume angepflanzt. Derzeit leiden sie aber sehr unter der Dürre im südlichen Afrika und würden sich sehnlichst Regen herbeiwünschen.

Wasser und Hygiene stellen immer noch große Herausforderungen in Eswatini dar und unsere Maßnahmen in diesem Bereich sind essenziell für unsere Communities. Dazu gehört auch unser WASH-Training für unsere Freiwilligen und Community Leader. Hier lernen sie über Krankheiten, die durch Händewaschen vermieden werden können und wie sie die hygienischen Maßnahmen richtig anwenden. Wir arbeiten hier mit Multiplikatoren – die Freiwilligen lernen die wichtigsten Aspekte im Bereich Wasser, Hygiene und Gesundheit und geben diese Informationen an ihre Familien und Freunde in den Heimatdörfern weiter. 

 

In Sinyamantulwa lernt Tina Mrs. Hlophe kennen. Sie ist blind und ist eine der ärmsten Bewohnerinnen in ihrem Dorf. World Vision hat ihre Community vor kurzem mit Latrinen ausgestattet, durch die sie ganz besonders profitiert:

„Ich musste früher weit hinaus aufs ungeschützte Land gehen, um mich zu erleichtern. Dort gibt es Tiere - wie Schlangen - und kaum Gebüsch, das mir Schutz bieten würde. Jeder der vorbeiging, konnte mich sehen. Dank World Vision habe ich jetzt nicht nur eine Latrine direkt vor der Haustüre, sondern auch die Möglichkeit, meine Hände zu waschen und mich so vor Infektionen zu schützen.“

Eine blinde Dame bekommt eine Latrine in Swasiland

Unter anderem hat Tina unser neues Wasserprojekt in Mhlabeni besucht. Das Wasser wird aus dem lokalen Fluss Ingwavuma mit einer solarbetriebenen Pumpe in einen Tank gepumpt. Dort wird das Wasser mit Sand und Steinen gereinigt und gefiltert, um dann in einen riesigen Tank zur höchsten Stelle des Dorfes gepumpt zu werden. Von hier fließt es durch Leitungen zu Entnahmestellen direkt zu den einzelnen Haushalten. Mit den Solarpanelen reagieren wir auf die klimatischen Veränderungen in Afrika und die Community hat dadurch keine laufenden Kosten für das Pumpen von Wasser.

Literacy Boost
EU Farmers Project
Meeting der WASH-Community
Unser neues Wassersystem in Mhalbeni
Unser neues Wassersystem in Mhlabeni (Solarpanele)
Die Kinder lassen Tina gar nicht mehr gehen.

 

Ihre Reise führt sie nun weiter nach Tansania – doch bevor sie ihre sieben Sachen zusammenpackt, wollten wir noch wissen, was sie persönlich für einen Eindruck aus Eswatini mitnimmt.

Du bist jetzt einen Monat in Eswatini, wie geht’s dir?

Wahnsinn, dass das schon über einen Monat her ist. Die Zeit ist wie im Flug vergangen. Mir geht es gut. Ich habe schon so viel gesehen, erlebt und gelernt. Ich finde es irrsinnig spannend, unsere Arbeit vor Ort zu sehen und bin zutiefst beeindruckt, was wir und unsere Kollegen hier leisten. Ich wurde sehr herzlich empfangen und verstehe mich mit allen Menschen so gut, dass es sich hier schon fast wie zu Hause anfühlt. Dieses Gefühl in so kurzer Zeit zu bekommen, ist selten. Das spricht sehr für die Herzlichkeit der Bevölkerung.

Wie schaut dein Tagesablauf aus?

Ich weiß nie so genau, was auf mich zukommt. Jeder Tag ist anders und voller Überraschungen. Aber ich liebe das. Ich wache morgens auf und freue mich schon so richtig auf den Tag. Gemeinsam mit einem meiner Kollegen (Dudusi, Cebo, Sihle oder Sandile) bin ich in unseren neun Communities in Lubulini unterwegs und besuche unsere Projekte bzw. treffe die Menschen, die davon profitieren. Das könnte beispielsweise eine Schule sein, die wir im Rahmen unseres Literacy Boost-Projekts unterstützen oder ein solarbetriebenes Wassersystem, wodurch den Menschen ein 4 km langer Marsch zum nächsten Fluss erspart bleibt. Oder auch ein Training zu Wasser- und Hygienemaßnahmen, um die Gesundheitssituation in der Community zu verbessern.

Am Abend sortiere ich dann alle meine Informationen, Statements und Fotos zu den Projekten, die ich untertags gesammelt habe. Direkt aus erster Hand zu hören, wie sich das Leben verändert hat, die Dankbarkeit und Freude in den Augen zu sehen (ja das klingt kitschig, ist aber so), ist so schön und motivierend.

 

Kind in Eswatini holt Wasser aus einem Teich
Kinder in einer Schule in Eswatini
Mädchen freut sich über das fließende Wasser vor ihrer Schule

Erzähl uns etwas, das du von Eswatini noch nicht wusstest. Bzw. was man nur wissen kann, wenn man längere Zeit dort verbringt.

  • Männern ist es gesetzlich erlaubt, mehrere Ehefrauen zu haben. (Der König macht es vor – er hat 14 Frauen.) Abgesehen vom König, ist dieser „Brauch“ allerdings nicht mehr üblich. Während es zu den Zeiten der Großeltern noch relativ normal war, sterben diese Mehrfachehen mit der neuen Generation und einem höheren Bildungsstand aus.

  • Familienverhältnisse bzw. Bezeichnungen: Die Schwester des Vaters ist eine Tante. Die Schwester der Mutter ist allerdings eine weitere Mutter (Sie werden je nach dem Alter Small Mother oder Big Mother genannt.) Die Kinder der (Ersatz-)mutter sind Brüder und Schwestern. Und das gilt auch umgekehrt: Der Bruder der Mutter ist ein Onkel. Der Bruder des Vaters ist ein weiterer Vater.

  • Die Geräusche, die als normal gelten: Laut durch die Nase bzw. den Rachen Schleim hochzuzuziehen (ein wirklich grausiger Laut), ist ein ganz normales Geräusch – so in etwa wie Gähnen oder Husten bei uns.

Was sind für dich die größten Herausforderungen?

Schon bei meiner Ankunft war ich über den Zustand des Landes, also über die Trockenheit, sehr schockiert. Dieser erste Eindruck wurde in weiterer Folge leider bewahrheitet. Die größte Herausforderung hier in Lubulini ist Wasser – denn es gibt keines! Das Land ist karg, die Flüsse ausgetrocknet und der Regen bleibt aus. Seit 2015 herrscht hier eine Dürreperiode und die Menschen spüren die gravierenden Auswirkungen des Klimawandels. Früher hat es bereits im August zu regnen begonnen. Es ist gerade Mitte Oktober und bis jetzt hat es seit März ein einziges Mal geregnet. Und das sollte es eigentlich, denn die Jahreszeiten in Eswatini sind anders als in Österreich, hier fängt jetzt gerade der Frühling an. Der größte Teil der Bevölkerung lebt von der Landwirtschaft. Jedoch kann man ohne Wasser nichts anbauen. Ohne Wasser fehlt den Menschen jegliche Basis für eine Lebensgrundlage. World Vision hat in Lubulini schon sehr viel im Bereich Wasser geleistet. Der Zugang zu Wasser wird aber auch in Zukunft - vor allem unter den sich verändernden klimatischen Bedingungen - weiterhin eine Priorität sein.

Tockenheit und Dürre im südlichen Afrika
Kinder schleppen Wasser vom Fluss zurück ins Dorf

Was hat dich am meisten beeindruckt?

Die positive Einstellung und Hoffnung der Menschen sowie diese unglaubliche Kraft, mit der jeder Tag gemeistert wird. Ich könnte mir beispielsweise nur schwer vorstellen, jeden Tag um 5 Uhr in der Früh aufzustehen und 3 km zu einem ausgetrockneten Fluss zu marschieren. Währenddessen dann auch noch auf Schlangen achten und an der Wasserstelle Löcher mit den Händen zu graben, bis endlich Wasser zum Vorschein kommt. Danach den 20-Liter-Kanister auf dem Kopf den Hügel wieder hinauf zu schleppen, um anschließend – meistens ohne Essen – in die Schule zu hetzen. Dort müsste ich auch noch fokussiert dem Unterricht folgen und mit aller Energie etwas für meine Zukunft tun. Und trotzdem voller Elan und Lebensfreude durch den Tag zu gehen!

Ich finde es sehr bewundernswert. Aber ich komme dadurch wirklich ins Grübeln und muss daran denken, was für ein Leben und welche Annehmlichkeiten wir in Österreich genießen dürfen.

Mich beeindruckt auch die liebevolle und familiäre Art, wie die Menschen miteinander umgehen. Ich habe es oft bei meinen Kollegen mitbekommen. Sie treffen aufeinander, unterhalten sich, machen Späße, rufen sich über die Straße etwas zu, blödeln herum etc. Danach frage ich, wer das war. Ein Freund, ein Bruder? „Nein, ich habe ihn noch nie zuvor gesehen.“ Echt schön!

Wie geht es jetzt weiter für dich?

Für mich geht es jetzt weiter nach Tansania. Wir (World Vision Österreich) starten in den nächsten Monaten unser neues Entwicklungsprogramm in Rukoma, im Nordwesten des Landes, das wir gemeinsam mit World Vision Deutschland betreuen. Ich freue mich schon sehr darauf und bin auch sehr gespannt, was mich dort erwartet. Hier sind wir noch ganz am Anfang unseres Programmes und unserer Maßnahmen. Ich hoffe, dass ich mir ein gutes Bild von der aktuellen Situation und den Bedürfnissen der Menschen machen kann.

Tina mit ihrem Patenkind

 

 

 

Tina Götz

Mitarbeiterin bei World Vision Österreich

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