
Hände wie Sandpapier
Ein Jahr ist seit dem neuen Ausbruch von Ebola in der demokratischen Republik Kongo vergangen. Niemand weiß, wie lange es noch dauern wird, die Ausbreitung der oft tödlichen Krankheit unter Kontrolle zu bringen und an welchem Ort die nächsten Menschen sich infizieren. Was dies für den Alltag der Einheimischen und auch der Helfer bedeutet, schildert unsere australische Mitarbeiterin Brianna Piazza, die seit einigen Wochen vor Ort ist.
Wir fahren auf staubigen braunen Straßen von Beni. Wenn wir jemanden treffen, schütteln wir keine Hände und küssen uns auch nicht auf die Wange. Wir haben Angst, uns mit dem furchtbaren Ebola Virus anzustecken. Inzwischen haben die Einheimischen sogar ein neues Begrüßungsritual entwickelt. Diejenigen, die sich gut kennen - und Ebolas tödliche Bedrohung verstehen - heben die Arme und berühren die Ellbogen.
Das Virus ist der Stoff für Albträume. Seit Ausbruch der Krankheit vor einem Jahr starben im Kongo mehr als 1700 Menschen. Allein in der Stadt Beni sind mindestens 337 Männer, Frauen und Kinder der Krankheit erlegen. Ich leide sicher nicht unter Paranoia, aber hier, wo die Seuche am schlimmsten wütet, ist sie ein wichtiger Selbsterhaltungstrieb. Jedes Mal, wenn ich aus Versehen jemanden berühre, greife ich nach meinem Desinfektionsmittel. Meine Hände fühlen sich mittlerweile an wie Sandpapier.


Die Krankheit beginnt wie eine Grippe, mit Fieber und Gliederschmerzen, gefolgt von Erbrechen, Durchfall, Ausschlag und Symptomen wie Nieren- und Leberversagen. Bei manchen Menschen blutet es aus den Augen und dem Zahnfleisch. Kranke werden umgehend unter Quarantäne gestellt, ohne dass sie sich von ihren Verwandten verabschieden können.
Ich wurde von Melbourne / Australien für World Vision International hierher geschickt, damit ich erzählen kann, wie es den Menschen hier geht und um ihre Verzweiflung zu schildern, damit die Welt sie nicht vergisst.
Überraschenderweise sind die Ebola-Gebiete keine Geisterstädte. An Orten wie Beni setzen die Menschen ihr normales Leben weitgehend fort. Bevor ich jeden Tag das World Vision-Büro betrete, überprüfen die Mitarbeiter meine Temperatur und ich muss gründlich meine Hände waschen. In meinem Hotel zieht das Empfangspersonal Handschuhe an, wenn ich ihnen meine Schlüssel gebe. Es ist heiß und schwül, aber ich trage T-Shirts mit langen Ärmeln.
In Goma, einer großen Handelsstadt an der Grenze zwischen der Demokratischen Republik Kongo und Ruanda, gehen die Behörden kein Risiko ein. Die Weltgesundheitsorganisation hat inzwischen den globalen Notstand ausgerufen. Wasserbehälter und Hand-Desinfektionsmittel sind das erste, was man in Büros, Geschäften und Hotels sieht, eine Erinnerung an eine unsichtbare Bedrohung. Allerdings ist es ein einfacher und effektiver Weg, um die Übertragung von Ebola zu verhindern.
Die Gesundheitsfachkräfte wissen, dass Prävention Leben retten kann. Aber es ist nicht immer einfach. Sie müssen auch gegen Aberglauben und Fehlinformationen in den lokalen Gemeinschaften arbeiten, während sie gegen die Ausbreitung der Krankheit kämpfen. Wenn ich Überlebende befrage, bin ich mir bewusst, dass ich einem Risiko ausgesetzt bin. Und ich weiß, dass ich mit 67-prozentiger Wahrscheinlichkeit nicht überleben würde, wenn ich mich mit dem Virus infizieren würde. Aber so sehr es mir auch Angst macht, ich bin hierhergekommen, weil ich weiß, dass diese Geschichten erzählt werden müssen, damit die Menschen in aller Welt sie hören.
Wenn sich in Österreich oder Australien Ebola ausbreiten würde, wären die Medien voll von Berichten über die Krankheit, über Überlebende, wie z.B. über Gloria. Die 38jährige Krankenschwester behandelte eine Kranke, ohne dass sie wusste, dass diese Ebola hatte. Die Patientin starb. Doch als Gloria sich gegen Ebola impfen ließ, war es bereits zu spät. "Ich hatte Angst", erinnert sie sich. "Ich hatte erwartet, zu sterben. Ich konnte nur an meine Familie denken. Für ein paar Tage fühlte ich mich gut, aber am dritten Tag bekam ich einige der Symptome. Ich hatte schreckliche Kopfschmerzen, Fieber und Gelenkschmerzen. Ich sagte meinem Mann, er solle mich nicht berühren und ich erinnerte mich, was uns über Ebola erzählt wurde. Fast immer bedeutete es den Tod.“ Eine frühzeitige Behandlung rettete Gloria. Ihren Kindern erzählt sie nun immer wieder, wie wichtig gründliches Händewaschen ist. Viele Mütter haben große Angst und sperren ihre Kinder zu Hause ein, damit sie sich nicht anstecken.

Warum sollten auch Sie sich um das Ebola-Virus sorgen? Ebola kennt keine Grenzen. Nur ein einziger Fall von Ebola kann eine andere Stadt, ein anderes Land, einen anderen Kontinent bedrohen. Die Weltgesundheitsorganisation hat erklärt, dass der Ausbruch derzeit international eine geringe Bedrohung darstellt, aber diese Einschätzung kann sich schnell ändern.
Brianna Piazza ist Journalistin aus Melbourne und arbeitet jetzt als Field Communications Officer bei World Vision. Dieser Beitrag ist in seiner Langfassung zuerst in der Zeitung „The New Daily“ in Australien erschienen.