Kind Syrien Bildung

Bildung rettet Leben

Februar – Zeit der Semesterferien in Österreich. In Wien sind sie gerade vorbei, in anderen Bundesländern noch nicht. Viele Schülerinnen und Schüler freuen sich über diese kurze Auszeit vom Schulalltag. Für uns hier selbstverständlich. Ein Privileg, das aber nicht alle Kinder dieser Welt genießen dürfen. Aus einem ganz einfachen Grund: Weil sie gar nicht zur Schule gehen. Weltweit besuchen nämlich mehr als die Hälfte aller Kinder, die auf der Flucht sind, keine Schule.

Viele Millionen Buben und Mädchen müssen ihre Kindheit in Flüchtlingslagern in fremden Ländern verbringen oder sind gezwungen, zu betteln oder zu arbeiten, um überleben zu können. Ihre Schulen wurden angegriffen und zerstört oder in Flüchtlingsunterkünfte umgewandelt.

In Idlib im Nordwesten Syriens zum Beispiel. Dort mussten seit Dezember vergangenen Jahres 600.000 Menschen ihr Zuhause verlassen. In diesem Teil des Landes ist der Schulbesuch zu einer Frage von Leben und Tod geworden. Etwa 500 Schulen wurden bereits zerstört oder beschädigt.

In den Flüchtlingslagern sind die Ressourcen für Bildung oft knapp. Und die Hilfsorganisationen sind zunehmend überfordert. Es sind kaum genug Mittel vorhanden, um die Grundbedürfnisse nach Nahrung, Wasser und Unterkunft zu decken. Eine dramatische Folge dessen: Jedes dritte syrische Kind im Schulalter geht nicht mehr zur Schule. Einige dieser Kinder sind aufgewachsen, ohne jemals einen Fuß in ein Klassenzimmer gesetzt zu haben. Andere haben mehrere Jahre Schulbildung versäumt.

Dabei bietet die Schule eine Routine, die ein Gefühl von Sicherheit und Stabilität vermittelt. Die Schule wird als schützendes Umfeld wahrgenommen – insbesondere auch für Teenager, die Gefahr laufen, in Kinderarbeit verwickelt zu werden oder eventuell in missbräuchliche Situationen geraten. Zudem sind Schulen auch ideale Orte, um Programme zu Gesundheits- und Bewusstseinsbildung anzubieten.

Zerstörung in Aleppo
Das Ausmaß der Zerstörungen in Syrien ist weitreichend.

Bildung ist also eindeutig lebensverändernd, aber nur weniger als 3 Prozent der weltweit verfügbaren humanitären Mittel werden in Bildung investiert. Die internationale Gemeinschaft und die führenden Politikerinnen und Politiker müssen hier einen Fokus legen.

Der langfristige Charakter dieser humanitären Krisen erfordert aber nachhaltiges Denken und Lösungen. Die Schließung der europäischen Grenzen und das Stoppen der Rettungsboote bedeutet nicht, dass die Probleme verschwinden. Syrische Flüchtlinge werden wahrscheinlich noch jahrelang nicht in ihre Heimat zurückkehren können, wenn es an Sicherheit und Möglichkeiten für wirtschaftliches Wachstum fehlt. Und natürlich werden die Menschen weiterhin nach Orten suchen, an denen sie für ihre Kinder eine vielversprechende Zukunft aufbauen können.

Schulkinder in Azraq

Bildung als Menschenrecht

Bildung ist bereits als grundlegendes Menschenrecht anerkannt. Jetzt arbeiten wir daran, den Zugang von Kindern zu qualitativ hochwertiger Bildung bis 2030 drastisch zu verbessern. Dies ist Teil der international anerkannten Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs).

Die Ziele sind ehrgeizig, aber die Lösungen stehen uns zur Verfügung. Auch das finanzielle Argument wird immer wichtiger. Die Flüchtlingskinder, denen wir heute helfen, werden die notwendigen Fähigkeiten erwerben, um nicht mehr von humanitärer Hilfe abhängig zu sein, wenn sie älter sind.

Kinder stellen unser größtes Kapital bei der Lösung von Konflikten und dem Aufbau friedlicher Gesellschaften dar. Sie sind keine passiven Opfer oder eine untätige Gruppe in Notsituationen, sondern vielmehr mächtige Akteure des Wandels. Dass wir ihnen die Möglichkeit verwehren, eine bessere Zukunft für sich selbst, ihre Familien und ihre Gemeinschaften aufzubauen, ist schlicht inakzeptabel.

Bildung kann Leben retten – jetzt und in Zukunft.

Anna Zügner

 

 

Anna Zügner ist Nothilfeexpertin bei World Vision Österreich. Nach dem Studium der Betriebswirtschaftslehre und Internationalen Entwicklung in Graz und Manchester war sie für World Vision bereits in mehreren Ländern im Einsatz. Unter anderem in Nepal, Mali, Jordanien, auf den Philippinen und im Irak.