Mädchen schützt sich mit Maske

"Sie denken, einen Impfstoff zu entwickeln, sei der schwierigste Teil?"

Inmitten einer Pandemie weckt die Nachricht von der Verfügbarkeit eines Impfstoffs verständlicherweise große Hoffnungen. Insbesondere bei den Menschen, deren Leben durch COVID-19 besonders gefährdet ist und deren Lebensgrundlagen durch die wirtschaftlichen Folgen zerstört wurden. Wenn es aber um Maßnahmen geht, die den eigenen Körper betreffen, ist Aufklärungsarbeit enorm wichtig. World Vision wird nicht in der Verteilung von Impfstoffen aktiv, jedoch daran arbeiten, Ängste der Bevölkerung, Fehlinformationen und möglichen Widerstand gegen die bevorstehenden Impfungen zu minimieren.

 

Aufklärungsarbeit in der Bevölkerung

Wie wichtig der Kampf gegen Fake-News und Desinformationen im Bereich Gesundheit ist, zeigten auch die Erfahrungen, die wir in der Ebola-Nothilfe gesammelt haben. Robert Kanwagi, World Vision-Programmkoordinator für den Ebola-Einsatz in Ost- und West-Afrika, gibt uns einen Einblick in seine Arbeit. Er zeigt auf, was – neben der Entwicklung eines Impfstoffs – nötig ist, um eine Pandemie erfolgreich zu bekämpfen:

„Gute Neuigkeiten gleich am Anfang des neuen Jahres: Zugelassene Impfstoffe kommen auf den Markt und in einigen Ländern der Welt werden bereits Hochrisikogruppen geimpft. Das bedeutet, dass wir optimistisch sein dürfen, dass die Dinge 2021 hoffentlich anders laufen werden als im vergangenen Jahr. Aber es bedeutet auch, dass für viele von uns ein herausfordernder Teil des Weges gerade erst beginnt. Lassen Sie mich erklären, was ich damit meine.

Als Programmkoordinator für World Vision in der Ebola-Nothilfe in Sierra Leone, der Demokratischen Republik Kongo, Ruanda und Uganda habe ich in den letzten sechs Jahren viele Erfahrungen bei der Einführung eines Impfstoffs sammeln dürfen. Ich habe erlebt, wie wichtig dabei die Zusammenarbeit in der Gesellschaft ist. Schon in Ländern mit den besten Gesundheitssystemen der Welt ist es eine große Herausforderung, den Impfstoff an so viele gefährdete Menschen wie möglich zu bringen. Stellen Sie sich also vor, welche Probleme es dann in einem Umfeld gibt, das politisch fragil ist, wo bewaffnete Konflikte allgegenwärtig sind oder wo es eine schlechte oder nicht vorhandene Gesundheitsinfrastruktur gibt. Die gute Nachricht: Es ist möglich. Aber nur, wenn sich alle Beteiligten engagieren und dazu beitragen, das gemeinsame Ziel zu erreichen.

Aus der Vergangenheit lernen

COVID-19 ist nicht die erste Pandemie und es wird wohl auch nicht die letzte sein. Die Herausforderung unserer Zeit besteht darin, was und wie wir aus der Vergangenheit lernen können. Es gibt fünf Punkte, die wir meiner Meinung nach beherzigen sollten.
 

Zusammenarbeit in der Politik

1.    Pandemien können Menschen trennen, aber auch zusammenbringen

Wir haben es auch bei COVID-19 gesehen: Es kam teilweise zu Spaltungen an politischen Fronten auf der ganzen Welt. Dennoch können Epidemien politische Gegner auch zusammenbringen. Als in Sierra Leone Ebola ausbrach, arbeitete zum Beispiel der damalige Oppositionsführer mit dem amtierenden Präsidenten zusammen, um eine einheitliche Botschaft an seine Anhänger zu vermitteln.
 

Partnerschaften bilden

2.    Größe spielt keine Rolle, wenn es um Partnerschaften geht

Bei der Einführung von Impfstoffen gibt es keine kleinen oder großen Partner. Alle Partner sind gleichberechtigt, alle Stimmen sind wichtig – und jeder Beitrag ist willkommen. Sowohl von Impfbefürwortern als auch von -gegnern. Ich habe meinem Team bei der Einführung des Ebola-Impfstoffs immer gesagt, dass auch diejenigen, die gegen den Impfstoff sind, unsere strategischen Verbündeten sind. Denn sie ermöglichen uns zu verstehen, welche Bedenken es in der Bevölkerung gibt. Nur so können wir angemessen reagieren.

Zuhören ist wichtig

3.    Weniger reden, mehr zuhören

Das ist das Wundermittel zur Steigerung der Impfstoffakzeptanz. Es geht nicht darum, noch mehr Informationen über die Impfstoffe zu verbreiten – das ist ja bereits alles öffentlich zugänglich. Es geht vielmehr darum, wie sehr wir bereit sind, zuzuhören. Wir müssen versuchen herauszufinden, warum so viel Skepsis gegenüber der Wissenschaft herrscht und warum die Vorteile nicht von jedem geschätzt werden. Die Welt braucht jetzt Führungspersönlichkeiten auf allen Ebenen, die proaktiv zuhören und engagiert auf die Bedenken der Gemeinden eingehen. Das beginnt auf Haushaltsebene und geht bis zum Präsidenten eines Landes.
 

Richtige Informationen verbreiten

4.    Fehlinformationen gedeihen, wenn qualitätsvolle Information fehlt

Um die Menschen aufzuklären und Vertrauen aufzubauen, müssen wir die Qualität und Geschwindigkeit der Gesundheitskommunikation strategisch verbessern. Inhalte müssen gut und verständlich aufbereitet werden. Es gibt psychologische Gründe, warum Menschen anfälliger dafür sind, Gerüchten und Fehlinformationen zu glauben und diese zu verbreiten. Diese Gründe müssen wir erkennen, verstehen und darauf reagieren. Hier können wir viel von den Sozialwissenschaften lernen.
 

Gemeinschaften einbinden

5.    Gemeinschaften haben ihre eigenen Lösungen

Ein Schlüsselfaktor im Kampf gegen Falschinformationen ist die Einbeziehung der Gemeinden. Am effektivsten ist es, wenn diese selbst in der Lage sind, Fehlinformationen aufzudecken. Netzwerke zur Aufklärung innerhalb der Bevölkerung sind äußerst effektiv, um die Akzeptanz von Impfstoffen zu erhöhen.
 

All diese Punkte sind wichtige Faktoren, um die Pandemie erfolgreich einzudämmen. Die aber wohl wichtigste Lektion, die ich gelernt habe, als ich mit Einzelpersonen, religiösen Führungspersönlichkeiten, Gesundheitspersonal und Gemeindemitgliedern zusammengearbeitet habe, ist diese: Wir alle brauchen viel Einfühlungsvermögen und Empathie. Es ist verständlich, dass die Menschen verängstigt, müde und frustriert sind. Ihnen zu sagen, dass sie damit falsch liegen, gegen die Impfung zu sein, hilft nicht weiter. Mit ihnen daran zu arbeiten, dass sie kritisch über ihre Informationsquellen nachdenken, ist weitaus effektiver. Auf unserem unglaublich wichtigen Weg, diese Pandemie zu beenden, hilft es mir sehr, mir das immer zu vergegenwärtigen.“

 

Training von religiösen Führungspersönlichkeiten
Kind mit Maske
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